November 2004: Der MTN 10km-Lauf
This is an email that I sent to my friend in Germany. Some liked it, so I thought I might post it although it is not in English as all other postings are supposed to be. Maybe, when I will have too much time, I will translate it.
Hallo zusammen,
ich habe mich ja in den letzten fünf Monaten mit Kommentaren über die Eigenheiten des Lebens in Uganda ausgeschwiegen. Aus gutem Grund: Es gab nichts Neues zu berichten! Nun, aber nun scheint es, als ob auch hier die Fitnesswelle losbrechen wird... Der gewöhnliche mittelständische Ugander geht zwar nicht einen Schritt zu viel zu Fuß. Er fährt oder läßt sich fahren. Aber daß man Fitness betreiben sollte, weil es schick ist, kam irgendwann auch einmal hier an. Nur läßt sich das nicht so leicht mit dem herkömmlichen Schönheitsideal und Wohlstandszeichen der Ugander vereinbaren: Dicke Bäuche - bei Männern und breite Becken bei den Damen.
Nun denn, es begab sich also ein nicht minder gut genährter Mzungu zu seinem allwöchentlichen Einkaufsritual und wurde von den grellgelben Logoi von MTN angezogen, die da direkt am Eingang zum Supermarkt plaziert waren. MTN Marathon für Jedermann. Cool! Einen Marathon wollte ich immer schon Mal laufen. Aber wann sollte er sein? In nicht mehr als sieben Tagen. Nachdem ich die Strecke studiert hatte, war meine Entscheidung klar. Der Marathon muß warten, die zehn Kilometer müssen reichen.
Den ersten Schock erlitt ich, als ich beim Registrierungsbüro in der MTN Zentrale erfuhr, daß man wegen der Hitze den Startzeitpunkt auf 7:30 Uhr festgesetzt habe. Aber, um einen reibungslosen Start zu gewährleisten, müßten alle Läufer bereits um 6:00 Uhr antreten. Bis dahin wurde diese Kleinigkeit in allen Flugblättern, Zeitungsannoncen usw schlicht nicht erwähnt.
Für lächerliche 2,50 EUR Startgebühr gab es ein tolles gelbes T-Shirt (mit dem Hinweis auf den MTN Marathon...) und einen Laufchip, den man in Deutschland für ca. 50 EUR Pfand leihen muß. Nachdem ich auch am Samstagvormittag noch keine nennenswerten Streckenvorbereitungen sah, entschloß ich mich, mit meinem Fahrrad die Strecke abzufahren und nach Hinweisen zu suchen. Vergeblich. Da war nichts präpariert. Was mich auch irritierte war die Tatsache, daß die Strecke ausschließlich den am besten befahrenen Straßen Kampalas folgte, die nur bergauf zu gehen schienen.
Der geneigte Deutsche wird nun kombinieren wollen: Start Marathon 7:00 Uhr, Start 10km 7:30 Uhr, Sonntag - da fahren ja keine Autos und man wird sicherlich alles sicher absperren... Falsch. Die Ugander sind streng gläubig und die verschiedenen Kongregationen legen ihre Gottesdienste quasi rund um die Uhr. Plus die Tatsache, daß man überall mit dem Auto hinfährt (insbesondere zum Gottesdienst, denn wo sonst sollte man seinen Reichtum zur Schau tragen, wenn nicht dort), führt zu der zunächst nicht ganz einleuchtenden Situation, daß man selbst morgens um 6:15Uhr besser Reflektoren trägt, wenn man (zu Fuß!) zum startpunkt geht (!).
Also, wie befürchtet gingen die Läufer natürlich nicht pünktlich auf die Strecke, niemand kontrollierte ob auch wirklich alle Läufer pünktlich um 6:00 Uhr da waren, und der Ehrengast (irgendein Minister) dachte sich wahrscheinlich wie ich: Bin ich denn bekloppt, bei strömenden Regen mitten in der Nacht aufzustehen, um mich eine Stunde anzustrengen. Gut, er hatte nur eine Rede vorzulesen und hätte dann wieder ins Bett gehen können. Aber ich kann gut nachvollziehen, daß er es vorzog, nicht einmal aufzustehen. Denn als mein Wecker klingelte, goß es in Strömen, und es war stockduster. An alle weiblichen Leser: Meinen ersten live erlebten Sonnenaufgang am Äquator hätte ich fast verpaßt, weil ich Milch über mein Müsli (500g, 8EUR im Uchumi) goß. Also wer das große sonnenaufgangstheater in epischer Länge erleben will, sollte sich irgendwo anders aber nicht hier aufhalten. Wer es eher kurz und schmerzlos will, sei hier herzlichst willkommen.
Ich hatte meine Lektion vom Youssou N'Dour Konzert gelernt und war natürlich auch nicht um 6:00 Uhr da. Warum auch, ich hatte alles: Chip und Nummern. Was sollte man mehr von mir verlangen. Da es eine individuelle Zeitnahme gab, wäre es auch nicht schlimm gewesen, aus der letzten Reihe laufend in den Tag zu starten. Ich war um 6:30 Uhr da und immer noch viel zu früh. Sehr zur Freunde meiner mitstartenden Bekannten, die sich über meine deutsche Pünktlichkeit (! 30 Minuten zu spät!) lustig machten.
Am Start war es fast familiär. Die typischen jung-dynamischen Mzungus (Weißen), die man auch ansonsten abends in den Bars bzw beim Einkaufen trifft. Man kennt sich, plaudert, lästert und kommt zu dem Schluß, daß man doch eigentlich ziemlich dumm ist, wenn man sich mitten in der Nacht in die organisatorische Obhut eines Mobilfunkanbieters begibt. Denn auch die, die an der längeren Marathonstrecke wohnten, wunderten sich, daß man von dem anstehenden Großereignis so rein gar nicht mitbekam. Frankfurter Leser mögen sich bitte an das Brimbamborium der JPMorganChase-Corporate Challenges erinnnern... Naja, aber warum sollte ein erfahrener Telekomgigant bei der Organisation eines sportlichen Großereignis schludern?
Die Marathon-Athleten kannte man von diversen Sportberichten im Fernsehen: große, dünne Männer und Frauen sowie drei oder vier verloren wirkenden Weiße mit ebensolchen Statur, aber zu meiner Überraschung standen da auch einige ziemlich wohl genährte Ugander - ob die wohl einfach nur nicht verstanden haben, wo sie sich da gerade einreihten? Nunja, fünf Stunden nach dem Start sehe ich sie nun so langsam die letzten eineinhalb Kilometer zum Ziel wandern - in der siebten Etage zu wohnen, hat seine Vorteile. ;-)
Die große Masse der Läufer und der Expatriate-Community reihte sich schließlich zum 10km-Lauf ein. Alle perfekt ausgestattet mit high-tech Sportschuhen, atmungsaktiven Textilien und dem obligatorischen MP3-Player (nur ich Angsthase hatte hatte meinen zu Hause gelassen, weil ich nicht wollte, daß er das Schicksal meines geliebten und von mir geschiedenen Palm teilt und Opfer eines tropischen Regenschauers wird). Der Startschuß fiel, die Leine nicht, und schon war der erste Tumult entstanden. Zweiter Versuch. Startschuß fällt, Lein auch - alles klar die Masse rennt. Ach, was sage ich, stürmt zur ersten Wasserstelle zehn Meter hinter der Startlinie... Also, die meisten werden sich hier nun schon denken, daß das Wasser für die angekommen Läufer sein sollte. Also nachdem man 10 bzw. 42,195 km hinter sich hatte... wie dem auch sei, ich trabe munter los, und als wir auf die Hauptverkehrsstraße (Jinja Road) einbiegen, war ich nicht sonderlich überrascht festzustellen, daß wir natürlich mit dem normalen Verkehr die dreispurige Straße zu teilen hatten. Ich war auch nicht wirklich verwundert, daß die Kleinbustaxis (matatus) wie üblich von ganz rechts an den linken Straßenrand (ohne den Blinker zu betätigen) fuhren, um Passagiere ein- und aussteigen zu lassen.
Es war genau diese einmalige Kombination, die mich und einige Mitäufer auch nächstes Jahr von einer Teilnahme am richtigen Marathon abhalten wird: Autoabgase (dicker schwarzer Qualm!) und bergauf Laufen. Die Lunge freut sich. Ich huste immer noch vor mich hin.
Aber ich wollte ja ein wenig über die Organisation des Laufs berichten: Die ersten drei Abzweigungen hatte ich gar nicht richtig wahrgenommen, weil noch so viele Läufer um mich herum waren, und ich dem Troß folgte. Nun kam aber nach einer langen, sehr langen Bergaufstrecke, ein kurzes steiles Gefälle, an dessen Ende es links abzubiegen galt. Ich weiß nicht, wieso es klappte.
Man Stelle sich vor: An einer sechspurigen Straße kommt eine kleine T-Kreuzung, an der ein Herr mit gelber Weste an einer Mauer lehnt, die vier Meter von der Straße weg ist und alle paar Sekunden mit seiner rechten Hand winkt. Keine Schilder, keine Absperrungen. Nichts. Das war der Moment, wo ich anfing darüber nachzudenken, wie dumm doch eigentlich so ein Europäer in den Augen eines Uganders erscheinen muß, wenn er Absperrungen usw erwarten, nein, eigentlich sogar verlangt. Ich hatte mich in den USA über diese komische Absperrungen und Schilder amüsiert, die den Amerikanern genau sagen, wann sie wo wie zu warten haben. Ohne diese geht es auch, und auch ohne Absperrungen habe ich meinen Weg beim Laufen gefunden (kleiner Blick auf die karte vor dem Start hilft ungemein). Nur Distanzanzeigen wären nicht schlecht gewesen.
Nach der Kreuzung kam dann die erste Wasserstelle mit Wasserflaschen und Schwämmen. Nach einem weiteren mörderischen Anstieg lechzte ich nach Wasser, doch an der nächsten versprochenen Wasserstelle stand eine junge Dame und schrie "Water 1km!". Okay, als gut präparierter Läufer griff ich nach meiner eigenen Flasche am Gürtel. Die Nächste Wasserstelle entpuppte sich dann als nicht unbedingt als Oase, wo man seinen Durst löschen konnte (es wird hier auch morgens schon ziemlich warm, auch wenn es die ganze Nacht durchregnet...). Es gab Schwämme. Auch nicht schlecht. Die nächste stelle an der es Wasser geben sollte, war gut bemannt. Fünf Damen schrien, daß es in einem Kilometer Wasser gäbe. Sie schrieb im Chor und auf Englisch, also konnte man den Hinweis gut verstehen.... Den Wahrheitsgehalt dieser Aussage lasse ich unkommentiert.
Was dann folgte war atemberaubend. An einem Kreisverkehr wurden die 10km-Hobbyläufer (die Profis waren zu dem Zeitpunkt 40min nach dem Start schon lange im Ziel) mit den Profi-Marathonläufer zusammengeführt. Ich wurde noch nie mit so einem atemberaubenden Tempo überholt. Die Jungs und Mädels hatten eine halbe Stunde Vorsprung, und ich weiß nicht wieviele Kilometer mehr hinter sich. Das Dumme ist nur, daß meine Kumpels und ich uns beim besten Willen nicht erklären konnten, wie diese Läufergruppe an genau dieser Stelle auf uns treffen konnte. Deren Strecke kreuzte sich nämlich dort eigentlich gar nicht mit unserer... Aber vielleicht waren auch unsere Streckenprofile nicht ganz aktuell. Ich hoffe nur nicht, daß sich da niemand verlaufen hatten... (KLEINER NACHTRAG: Das waren in der Tat keine Marathonläufer sondern von Helfer (welchen?) fehlgeleitete 10km-Profiläufer, die da mal eben 8km mehr gerannt waren...)
Nach etwas weniger als eine Stunde bergauf Laufen ging es zum Zieleinlauf endlich mal ein wenig länger bergab, und die ersten Zuschauer (komischerweise alles Weißnasen - vornehmlich Ehepartner mit Kindern) feuerten uns an und zusammen mit den anfeuernden Kommentaren des MOderators trugen sie uns uns quasi ins Ziel. Dort angekommen und wie bei Volks- und ähnlichen Läufen in Deutschland gelernt, wollte ich mich schnellstmöglich aus der Zielregion entfernen. Aber nichts da. Ein (das?) Mitglied des Organisationskommittees hielt mich fest und stellte mich ans Ende einer Reihe anderer Läufer. Netterweise gab es eine Flasche Wasser. Als ich zum großen Schluck ansetze, baute sich jemand mit einem Messer vor mich auf und kniete sich plötzlich vor mich. Das war der Moment, in dem ich mich ärgerte, dem Ratschlag Nr. 14 des MTN Marathon Organisation Committees für das erfolgreiche Meistern der Läufe Folge geleistet zu haben: Do not carry firearms with you! (dicht gefolgt von Ratschlag 10: Do not run into cars!). Aber ich sollte mir keine Sorgen machen müssen. Der nette Herr war mir nur behilflich, mein fein säuberlich in meine Schnürsenkel eingeflochtenen Laufchip abzunehmen... Naja, ich brauche sowieso ein neues Paar Laufschuhe und am nächsten Wochenende kann ich auch mit schwarzen Schürsenkeln an einem Schuh laufen gehen.
In diesem Sinne einen schönen Start in die Woche! Torsten
P.S.: Daß ich heute die ersten Plastikweihnachtsbäume gesehen habe, gab mir irgendwie den Rest... Das paßt irgendwie gar nicht. Ich freue mich schon auf das kalte vorweihnachtliche Deutschland ;-)
Hallo zusammen,
ich habe mich ja in den letzten fünf Monaten mit Kommentaren über die Eigenheiten des Lebens in Uganda ausgeschwiegen. Aus gutem Grund: Es gab nichts Neues zu berichten! Nun, aber nun scheint es, als ob auch hier die Fitnesswelle losbrechen wird... Der gewöhnliche mittelständische Ugander geht zwar nicht einen Schritt zu viel zu Fuß. Er fährt oder läßt sich fahren. Aber daß man Fitness betreiben sollte, weil es schick ist, kam irgendwann auch einmal hier an. Nur läßt sich das nicht so leicht mit dem herkömmlichen Schönheitsideal und Wohlstandszeichen der Ugander vereinbaren: Dicke Bäuche - bei Männern und breite Becken bei den Damen.
Nun denn, es begab sich also ein nicht minder gut genährter Mzungu zu seinem allwöchentlichen Einkaufsritual und wurde von den grellgelben Logoi von MTN angezogen, die da direkt am Eingang zum Supermarkt plaziert waren. MTN Marathon für Jedermann. Cool! Einen Marathon wollte ich immer schon Mal laufen. Aber wann sollte er sein? In nicht mehr als sieben Tagen. Nachdem ich die Strecke studiert hatte, war meine Entscheidung klar. Der Marathon muß warten, die zehn Kilometer müssen reichen.
Den ersten Schock erlitt ich, als ich beim Registrierungsbüro in der MTN Zentrale erfuhr, daß man wegen der Hitze den Startzeitpunkt auf 7:30 Uhr festgesetzt habe. Aber, um einen reibungslosen Start zu gewährleisten, müßten alle Läufer bereits um 6:00 Uhr antreten. Bis dahin wurde diese Kleinigkeit in allen Flugblättern, Zeitungsannoncen usw schlicht nicht erwähnt.
Für lächerliche 2,50 EUR Startgebühr gab es ein tolles gelbes T-Shirt (mit dem Hinweis auf den MTN Marathon...) und einen Laufchip, den man in Deutschland für ca. 50 EUR Pfand leihen muß. Nachdem ich auch am Samstagvormittag noch keine nennenswerten Streckenvorbereitungen sah, entschloß ich mich, mit meinem Fahrrad die Strecke abzufahren und nach Hinweisen zu suchen. Vergeblich. Da war nichts präpariert. Was mich auch irritierte war die Tatsache, daß die Strecke ausschließlich den am besten befahrenen Straßen Kampalas folgte, die nur bergauf zu gehen schienen.
Der geneigte Deutsche wird nun kombinieren wollen: Start Marathon 7:00 Uhr, Start 10km 7:30 Uhr, Sonntag - da fahren ja keine Autos und man wird sicherlich alles sicher absperren... Falsch. Die Ugander sind streng gläubig und die verschiedenen Kongregationen legen ihre Gottesdienste quasi rund um die Uhr. Plus die Tatsache, daß man überall mit dem Auto hinfährt (insbesondere zum Gottesdienst, denn wo sonst sollte man seinen Reichtum zur Schau tragen, wenn nicht dort), führt zu der zunächst nicht ganz einleuchtenden Situation, daß man selbst morgens um 6:15Uhr besser Reflektoren trägt, wenn man (zu Fuß!) zum startpunkt geht (!).
Also, wie befürchtet gingen die Läufer natürlich nicht pünktlich auf die Strecke, niemand kontrollierte ob auch wirklich alle Läufer pünktlich um 6:00 Uhr da waren, und der Ehrengast (irgendein Minister) dachte sich wahrscheinlich wie ich: Bin ich denn bekloppt, bei strömenden Regen mitten in der Nacht aufzustehen, um mich eine Stunde anzustrengen. Gut, er hatte nur eine Rede vorzulesen und hätte dann wieder ins Bett gehen können. Aber ich kann gut nachvollziehen, daß er es vorzog, nicht einmal aufzustehen. Denn als mein Wecker klingelte, goß es in Strömen, und es war stockduster. An alle weiblichen Leser: Meinen ersten live erlebten Sonnenaufgang am Äquator hätte ich fast verpaßt, weil ich Milch über mein Müsli (500g, 8EUR im Uchumi) goß. Also wer das große sonnenaufgangstheater in epischer Länge erleben will, sollte sich irgendwo anders aber nicht hier aufhalten. Wer es eher kurz und schmerzlos will, sei hier herzlichst willkommen.
Ich hatte meine Lektion vom Youssou N'Dour Konzert gelernt und war natürlich auch nicht um 6:00 Uhr da. Warum auch, ich hatte alles: Chip und Nummern. Was sollte man mehr von mir verlangen. Da es eine individuelle Zeitnahme gab, wäre es auch nicht schlimm gewesen, aus der letzten Reihe laufend in den Tag zu starten. Ich war um 6:30 Uhr da und immer noch viel zu früh. Sehr zur Freunde meiner mitstartenden Bekannten, die sich über meine deutsche Pünktlichkeit (! 30 Minuten zu spät!) lustig machten.
Am Start war es fast familiär. Die typischen jung-dynamischen Mzungus (Weißen), die man auch ansonsten abends in den Bars bzw beim Einkaufen trifft. Man kennt sich, plaudert, lästert und kommt zu dem Schluß, daß man doch eigentlich ziemlich dumm ist, wenn man sich mitten in der Nacht in die organisatorische Obhut eines Mobilfunkanbieters begibt. Denn auch die, die an der längeren Marathonstrecke wohnten, wunderten sich, daß man von dem anstehenden Großereignis so rein gar nicht mitbekam. Frankfurter Leser mögen sich bitte an das Brimbamborium der JPMorganChase-Corporate Challenges erinnnern... Naja, aber warum sollte ein erfahrener Telekomgigant bei der Organisation eines sportlichen Großereignis schludern?
Die Marathon-Athleten kannte man von diversen Sportberichten im Fernsehen: große, dünne Männer und Frauen sowie drei oder vier verloren wirkenden Weiße mit ebensolchen Statur, aber zu meiner Überraschung standen da auch einige ziemlich wohl genährte Ugander - ob die wohl einfach nur nicht verstanden haben, wo sie sich da gerade einreihten? Nunja, fünf Stunden nach dem Start sehe ich sie nun so langsam die letzten eineinhalb Kilometer zum Ziel wandern - in der siebten Etage zu wohnen, hat seine Vorteile. ;-)
Die große Masse der Läufer und der Expatriate-Community reihte sich schließlich zum 10km-Lauf ein. Alle perfekt ausgestattet mit high-tech Sportschuhen, atmungsaktiven Textilien und dem obligatorischen MP3-Player (nur ich Angsthase hatte hatte meinen zu Hause gelassen, weil ich nicht wollte, daß er das Schicksal meines geliebten und von mir geschiedenen Palm teilt und Opfer eines tropischen Regenschauers wird). Der Startschuß fiel, die Leine nicht, und schon war der erste Tumult entstanden. Zweiter Versuch. Startschuß fällt, Lein auch - alles klar die Masse rennt. Ach, was sage ich, stürmt zur ersten Wasserstelle zehn Meter hinter der Startlinie... Also, die meisten werden sich hier nun schon denken, daß das Wasser für die angekommen Läufer sein sollte. Also nachdem man 10 bzw. 42,195 km hinter sich hatte... wie dem auch sei, ich trabe munter los, und als wir auf die Hauptverkehrsstraße (Jinja Road) einbiegen, war ich nicht sonderlich überrascht festzustellen, daß wir natürlich mit dem normalen Verkehr die dreispurige Straße zu teilen hatten. Ich war auch nicht wirklich verwundert, daß die Kleinbustaxis (matatus) wie üblich von ganz rechts an den linken Straßenrand (ohne den Blinker zu betätigen) fuhren, um Passagiere ein- und aussteigen zu lassen.
Es war genau diese einmalige Kombination, die mich und einige Mitäufer auch nächstes Jahr von einer Teilnahme am richtigen Marathon abhalten wird: Autoabgase (dicker schwarzer Qualm!) und bergauf Laufen. Die Lunge freut sich. Ich huste immer noch vor mich hin.
Aber ich wollte ja ein wenig über die Organisation des Laufs berichten: Die ersten drei Abzweigungen hatte ich gar nicht richtig wahrgenommen, weil noch so viele Läufer um mich herum waren, und ich dem Troß folgte. Nun kam aber nach einer langen, sehr langen Bergaufstrecke, ein kurzes steiles Gefälle, an dessen Ende es links abzubiegen galt. Ich weiß nicht, wieso es klappte.
Man Stelle sich vor: An einer sechspurigen Straße kommt eine kleine T-Kreuzung, an der ein Herr mit gelber Weste an einer Mauer lehnt, die vier Meter von der Straße weg ist und alle paar Sekunden mit seiner rechten Hand winkt. Keine Schilder, keine Absperrungen. Nichts. Das war der Moment, wo ich anfing darüber nachzudenken, wie dumm doch eigentlich so ein Europäer in den Augen eines Uganders erscheinen muß, wenn er Absperrungen usw erwarten, nein, eigentlich sogar verlangt. Ich hatte mich in den USA über diese komische Absperrungen und Schilder amüsiert, die den Amerikanern genau sagen, wann sie wo wie zu warten haben. Ohne diese geht es auch, und auch ohne Absperrungen habe ich meinen Weg beim Laufen gefunden (kleiner Blick auf die karte vor dem Start hilft ungemein). Nur Distanzanzeigen wären nicht schlecht gewesen.
Nach der Kreuzung kam dann die erste Wasserstelle mit Wasserflaschen und Schwämmen. Nach einem weiteren mörderischen Anstieg lechzte ich nach Wasser, doch an der nächsten versprochenen Wasserstelle stand eine junge Dame und schrie "Water 1km!". Okay, als gut präparierter Läufer griff ich nach meiner eigenen Flasche am Gürtel. Die Nächste Wasserstelle entpuppte sich dann als nicht unbedingt als Oase, wo man seinen Durst löschen konnte (es wird hier auch morgens schon ziemlich warm, auch wenn es die ganze Nacht durchregnet...). Es gab Schwämme. Auch nicht schlecht. Die nächste stelle an der es Wasser geben sollte, war gut bemannt. Fünf Damen schrien, daß es in einem Kilometer Wasser gäbe. Sie schrieb im Chor und auf Englisch, also konnte man den Hinweis gut verstehen.... Den Wahrheitsgehalt dieser Aussage lasse ich unkommentiert.
Was dann folgte war atemberaubend. An einem Kreisverkehr wurden die 10km-Hobbyläufer (die Profis waren zu dem Zeitpunkt 40min nach dem Start schon lange im Ziel) mit den Profi-Marathonläufer zusammengeführt. Ich wurde noch nie mit so einem atemberaubenden Tempo überholt. Die Jungs und Mädels hatten eine halbe Stunde Vorsprung, und ich weiß nicht wieviele Kilometer mehr hinter sich. Das Dumme ist nur, daß meine Kumpels und ich uns beim besten Willen nicht erklären konnten, wie diese Läufergruppe an genau dieser Stelle auf uns treffen konnte. Deren Strecke kreuzte sich nämlich dort eigentlich gar nicht mit unserer... Aber vielleicht waren auch unsere Streckenprofile nicht ganz aktuell. Ich hoffe nur nicht, daß sich da niemand verlaufen hatten... (KLEINER NACHTRAG: Das waren in der Tat keine Marathonläufer sondern von Helfer (welchen?) fehlgeleitete 10km-Profiläufer, die da mal eben 8km mehr gerannt waren...)
Nach etwas weniger als eine Stunde bergauf Laufen ging es zum Zieleinlauf endlich mal ein wenig länger bergab, und die ersten Zuschauer (komischerweise alles Weißnasen - vornehmlich Ehepartner mit Kindern) feuerten uns an und zusammen mit den anfeuernden Kommentaren des MOderators trugen sie uns uns quasi ins Ziel. Dort angekommen und wie bei Volks- und ähnlichen Läufen in Deutschland gelernt, wollte ich mich schnellstmöglich aus der Zielregion entfernen. Aber nichts da. Ein (das?) Mitglied des Organisationskommittees hielt mich fest und stellte mich ans Ende einer Reihe anderer Läufer. Netterweise gab es eine Flasche Wasser. Als ich zum großen Schluck ansetze, baute sich jemand mit einem Messer vor mich auf und kniete sich plötzlich vor mich. Das war der Moment, in dem ich mich ärgerte, dem Ratschlag Nr. 14 des MTN Marathon Organisation Committees für das erfolgreiche Meistern der Läufe Folge geleistet zu haben: Do not carry firearms with you! (dicht gefolgt von Ratschlag 10: Do not run into cars!). Aber ich sollte mir keine Sorgen machen müssen. Der nette Herr war mir nur behilflich, mein fein säuberlich in meine Schnürsenkel eingeflochtenen Laufchip abzunehmen... Naja, ich brauche sowieso ein neues Paar Laufschuhe und am nächsten Wochenende kann ich auch mit schwarzen Schürsenkeln an einem Schuh laufen gehen.
In diesem Sinne einen schönen Start in die Woche! Torsten
P.S.: Daß ich heute die ersten Plastikweihnachtsbäume gesehen habe, gab mir irgendwie den Rest... Das paßt irgendwie gar nicht. Ich freue mich schon auf das kalte vorweihnachtliche Deutschland ;-)
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